*1983, lebt und arbeitet in Berlin
www.katjaaufleger.com

Opus Eins
2014

Katja Aufleger bespielt den ersten Ausstellungsraum der Musikinstrumentensammlung mit der Klangarbeit Opus Eins, die hier auf die in Vitrinen ausgestellten Instrumente des klassischen Sinfonieorchesters trifft. Über unsichtbare Lautsprecher erklingt die Stimme der Künstlerin im Raum, die gedankenverloren ein Musikstück vor sich hin summt. Im Kontext der stummen musealen Präsentation der Instrumente evoziert Katja Auflegers klangliche Intervention in der Vorstellung der Rezipient*in ein inneres Wechselspiel latenter Sinnbeziehungen zwischen Gesehenem und Gehörtem.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

Conversation Piece
2014

Im Kunstmuseum Bochum zeigt Katja Aufleger mit Conversation Piece eine Arbeit, die gänzlich auf Klang verzichtet, jedoch klangliche Assoziationen in hohem Maße mit einschließt. Zu sehen sind drei Dirigenten, die – tonlos – in unterschiedlichem Stil das gleiche Musikstück dirigieren. Die Mimik der Dirigenten und ihr Umgang mit dem Taktstock sind unterschiedlich und verraten uns weder etwas über das Orchester und die eingesetzten Instrumente noch über das Spiel, das sie leiten. Der Titel der Installation, Conversation Piece, leitet sich aus der Genremalerei her und steht dort für
ein informelles Gruppenporträt, das die Personen in Gesprächen darstellt oder auch beim gemeinsamen Musizieren.
Katja Aufleger lässt die Akteure allerdings nicht in Interaktion miteinander treten, sondern stellt sie isoliert voneinander dar. Die Konversation zwischen ihnen stellen vielmehr wir als Betrachter her, indem wir die einzelnen Bildereignisse miteinander verknüpfen.

Kunstmuseum Bochum
im Rahmen der Ausstellung The Sound Is Where?

Sum Of Its Parts
2012
Vinyl record
12 in. 2 x 20 min.
A-side northern hemisphere
B-side southern hemisphere

Lichtreflexe auf der Oberfläche einer Schallplatte lenken den Blick auf die Umrisse der fünf Kontinente und geben, wie auch das Plattencover, einen Hinweis darauf, was hier den Ton angibt. Es ist die Erde, die nördliche Hemisphäre auf der A- und die südliche Hemisphäre auf der B-Seite des Vinyls. Beim Abspielen fährt der Tonabnehmer spiralförmig vom Äquator zum Pol etwa 530 mal um die Erde, 33 mal pro Minute, eine Erdumrundung in 1,8 Sekunden. Die verschiedenen Höhen der Erdoberfläche wurden hierfür in Frequenzen übersetzt. Ein Meter über dem Meeresspiegel entspricht einem Hertz. Der Mount Everest ist somit der höchste hörbare Ton und das Meer gibt die Pausen vor. Die Erdoberfläche bestimmt die Tonhöhe und die daraus entstehende Soundspur lässt wiederum die Landkarte auf der Platte erkennen.

Remaining Pieces
2020
Vinyl record
12 in., 2 x 40 min.
A-side nearside of the moon
B-side far side of the moon

Wie oft bei Katja Aufleger geht es auch bei Remaining Pieces um die Bezüge zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, Wissen und Erfahrung – um das Sichtbare, das Sagbare und um das, was wir spüren. Die Klänge, die beim Abspielen ihrer Schallplatte erklingen, sind die maßstabsgetreue Übersetzung der Mondoberfläche in Tonfrequenzen. In Entsprechung dazu erkennen wir auf der Oberfläche des Tonträgers eine Kraterlandschaft – ein optischer Effekt, der sich ergibt, wenn sich das Licht in der Tonspur bricht. Wir hören eine akustische Topografie, aber der Sound lässt an die Weite des Alls denken. An eine kosmische Melodie oder an die Signale, die die Menschheit aussendet auf der Suche nach außerirdischem Leben. (Jörn Schafaff)

Kunstmuseum Bochum
im Rahmen der Ausstellung The Sound Is Where?

*1987, lebt und arbeitet in Köln
www.sophiabauer.net

26 Vogelstimmen
2016 / 2022
Künstlerbuch, Postkartenaktion

In ihrer Arbeit 26 Vogelstimmen versammelt Sophia Bauer die Stimmen jener 26 Vogelarten, die seit 1950 nicht mehr in Deutschland als Wildvögel nachgewiesen werden können. Bauer listet die spezifischen Rufe und Gesänge der jeweiligen Art und notiert diese im Rückgriff auf gängige ornithologische Fachliteratur in lautmalerischer Umschreibung. Das sonderbar anmutende Vorgehen der Wissenschaft, die Sprache einer anderen Spezies lautmalerisch in unsere eigene zu übersetzen, verweist dabei auf rührende Weise auf den menschlichen Versuch, sich einer uns fremden akustischen Kommunikationsform zu versichern, indem diese verschriftlicht, lesbar und scheinbar nachahmbar gemacht wird.

Ausgehend von der ursprünglichen Buchpublikation haben sich inzwischen diverse weitere Formate entwickelt. So erscheinen die Vogelstimmen auf Plakatwänden und Litfaßsäulen, werden zur Grundlage musikalischer Interpretation, von wissenschaftlichen Vorträgen oder erklingen beim Vogelstimmen-Karaoke. Für Bochum entstand als neues Format eine Postkartenedition, die sich, in Postkartenständern präsentiert, auf drei Spielorte verteilt. Die Postkarten können kostenlos von den Besucher*innen mitgenommen werden, die die Vogelstimmen wieder in die Welt hinaustragen.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum
Museum unter Tage
Kunstmuseum Bochum

*1965, lebt und arbeitet in Düsseldorf
www.fraukeberg.de

Half Dead - Half Alive
2021
Videoprojektion, Klangkomposition, Vitrine

Frauke Bergs Audio- und Video-Installation ist der poetische Versuch, die Instrumente zu reanimieren. Dazu platziert sie eine weitere Vitrine, die zum imaginierten Lebensraum eines (gleichfalls eingesperrten) Paradiesvogels wird und sich in die Ausstellung der halb toten, halb lebendigen Exponate einreiht. Eine Komposition aus elektronischen und analogen Klängen halluziniert einen Dialog aus dem Leben der musealen Exponate und dem zur Schau gestellten Paradiesvogel, das hinter Glas erloschen scheint. (Frauke Berg)

Half Dead - Half Alive befasst sich mit der spezifischen Beschaffenheit der im Haus Kemnade ausgestellten Musikinstrumentensammlung Grumbt. Eine große Zahl von Instrumenten aus der ganzen Welt sind hier mehr oder weniger systematisch zusammengetragen. Raumatmosphärisch ergibt sich ein Mix aus Wertigem und Trivialen, der ein wenig an das Konzept der Wunderkammern erinnert. Frauke Berg greift diese Atmosphäre auf. Die Sammlung der Instrumente schien ihr einen Widerstreit zu beherbergen: das Zurschaustellen hinter Glas macht sie zwar sichtbar, aber nicht hörbar. Das Herz der Instrumente, der Klang, vermag in den Vitrinen nicht zu schlagen.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1977, lebt und arbeitet in Köln
www.juliabuennagel.de

Neon Noise
2016 / 2022
Multimediale Installation, QR-Codes, Audiofile

Julia Bünnagels multimediale Installation Neon Noise bezieht visuelle und auditive Elemente, aber auch technische Codes und Praktiken gegenwärtiger Telekommunikation mit ein. Das bodentiefe Fenster im Eingangsbereich des Hauses der Kortum-Gesellschaft füllt die Künstlerin mit einem kachelartigen Muster aus QR-Codes und setzt damit einen weithin sichtbaren Akzent an dem denkmalgeschützten Gebäude am Eingang zum Bochumer Stadtpark. Im Muster der QR-Codes zeichnet sich der Schriftzug NOISE ab, der auf die Klangarbeiten Bünnagels im Kontext der Geräuschmusik verweist. Hier kommt unter anderen dem White Noise, dem Weißen Rauschen als klanglichem Phänomen besondere Bedeutung zu.

Wird der QR-Code mittels Smartphonekamera gescannt, erklingt eine gut 10-minütige Klangarbeit Bünnagels. Ist zu Beginn nur ein gleichförmiges Rauschen hörbar, so bilden sich im Verlauf immer deutlicher rhythmische Muster heraus. Es entwickelt sich eine Klangdramaturgie, die immer klarere Konturen annimmt und neue Elemente, etwa die menschliche Stimme, einbezieht. Ihre Klangcollagen produziert Bünnagel nicht mit den heute verbreiteten digitalen Verfahren, sondern analog mit Schallplattenspielern und manipulierten Schallplatten, die sie unter anderm auch im Rahmen von Soundperformances live einsetzt. Der in den Arbeiten durchhörbare Grundrhythmus resultiert aus der Umdrehungszahl der Schallplatte. Die Installation ist frei zugänglich und kann jederzeit besucht werden.

Haus der Kortum-Gesellschaft

Where Words End
2021
Lack, Holz, Stroboskope

Where Words End. Diese drei Worte treten den Betrachtenden in einer Arbeit von Julia Bünnagel entgegen. Jeden Buchstaben bildet die Künstlerin skulptural anmutend als geometrische Verdichtung aus Linien und deren Zwischenräumen, eingeschnitten in lackierte Holzboxen, die hinterleuchtet von Stroboskopen die Botschaft rhythmisiert aufscheinen lassen. Sprache und Wort sind in Julia Bünnagels Arbeiten ein zentrales Element. Sie besetzen Wände und Räume, treten als Zeichen, Statement und Botschaft auf, werden aber gleichzeitig auch im bildhauerischen Sinne zur plastischen Form. Where Words End weist über die Sprache und die Wörter hinaus, greift nach jenem Bereich, in dem sie als Kommunikationsmittel und Ausdrucksform nicht geeignet sind oder defizitär erscheinen.

„Musik fängt dort an, wo die Worte enden“ soll Johann Wolfgang von Goethe gesagt haben. Where Words End erscheint mit dem Blick auf Julia Bünnagels Gesamtwerk wie ein Reflex auf dieses und andere ähnliche Zitate und wie ein – in diesem Fall stiller – Verweis auf Wahrnehmungsebenen und Mitteilungsmöglichkeiten jenseits von Sprache. Ganz besonders, aber nicht ausschließlich, deutet er auf Sound und Klang, die eine zentrale Komponente in Bünnagels künstlerischer Arbeit darstellen. (Alexandra Käss)

Kunstmuseum Bochum
im Rahmen der Ausstellung The Sound Is Where?

*1966, lebt und arbeitet in Berlin
www.jornebner.info

08 12 1980 (John)
08 12 1980 (Yoko)
08 12 1980 (The Dakota)

2014
Bleistift, Buntstift, Ink Pen, Kreide auf Papier, jeweils 2000 x 1500 mm

In drei großformatigen Zeichnungen setzt sich Jorn Ebner mit der Ermordung John Lennons am 8. Dezember 1980 auseinander. Das Ereignis hat den Künstler stark bewegt und immer wieder beschäftigt. Knapp ein Vierteljahrhundert später setzt sich Ebner in drei großformatigen Zeichnungen mit Lennons und dessen gewaltsamen Tod auseinander. Die Zeichnungen beziehen sich auf John Lennon, Yoko Ono sowie das Dakota Building, in dem sich Lennons Apartment befand und vor dem sich die Tat ereignete. Jorn Ebner nähert sich dem Thema assoziativ in einem abstrakten Geflecht feiner Bleistift- und Bunststiftlineamente. An die Stelle zeichnerischer Konturen treten energetische Verdichtungen der Linienstrukturen. In der dem toten John Lennon gewidmeten Zeichnung ist dies eine statische Konzentration im unteren Bildbereich, bei Yoko Ono eine unruhig über die Bildfläche verteilte Struktur und in der dritten Zeichnung suggeriert eine massive großflächige Verdichtung den dunklen Baukörper des Dakota Buildings. In den Zeichnungen finden innere und äußere Zustände einen visuellen Widerhall.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1968, lebt und arbeitet in Saarbrücken
www.fraukeeckhardt.de

translocation_link
2022
Klanginstallation für Haus Kemnade

Die Klanginstallation translocation_link von Frauke Eckhardt eröffnet mit drei Audio-Kissen individuelle Zugänge und innere Resonanzräume zur Soundscape um das Haus Kemnade. Auf der ehemaligen Weide von Haus Kemnade bieten die drei Audio-Kissen als räumlich-zeitliche Displays ganzkörperlichen Erlebens den Besucher*innen eine Gelegenheit zur aktivierten Teilhabe. Liegend den Blick auf die verschiedenen Ausschnitte des Himmels und der umstehenden Bäume gelenkt, übertragen die Kissen eine Komposition aus Körperschall-Klängen der mit dem bloßen Ohr unhörbaren Prozesse und vitalen Kommunikationen aus der vorhandenen Flora und Fauna.

Im Verlauf der körperlichen Schwingungsübertragung werden innere Bilder angeregt und emphatische Resonanz mit dem bislang verborgenen Anderen gestiftet. Die eigene Verortung und Identität gerät im Lauschen und Spüren in ein energetisches Changieren zwischen jetzt und gleich, dem Hier und dem Dort, dem Inneren und dem Äußeren. Die eigenzeitlich und mit allen Sinnen Wahrnehmenden werden bei translocation_link zu den unabdingbaren Akteur*innen eines erweiterten Rezeptionsprozesses. (Frauke Eckhardt)

Haus Kemnade, Außenbereich

*1970, lebt und arbeitet in Berlin
www.albrechtfersch.de

Pluralistisches Solotonorchester
2021
Interaktive Klanginstallation

Im Ausstellungsraum des Kunstvereins im Obergeschoss von Haus Kemnade realisiert Albrecht Fersch eine neue Klanginstallation innerhalb seiner Werkgruppe der Raumklaviere. Für jeden Ort wird dabei ausgehend von den jeweils verfügbaren Materialien und räumlichen Gegebenheiten eine neue Version konzipiert und realisiert. Im Mittelpunkt stehen Klaviatur und Mechanik eines ausgedienten Klaviers, die mittels Schnüren, Drähten oder Holzleisten mit unterschiedlichsten Klangobjekten im Raum verbunden werden. Über die Klaviertastatur können die einzelnen Objekte mechanisch angespielt werden und erzeugen dabei eine Vielfalt von Klängen und Geräuschen, die über den Raum verteilt hörbar werden. Für die Bochumer Installation greift Fersch auf den Fundus der Musikinstrumentensammlung Grumbt zurück, die als städtische Sammlung ebenfalls im Haus Kemnade beheimatet und teilweise im Erdgeschoss des Hauses ausgestellt ist. Während die Objekte der Instrumentenausstellung jedoch museumstypisch in Vitrinen präsentiert werden und dabei zwangsläufig stumm bleiben, erweckt Fersch die musealen Objekte in seiner Installation klanglich zu neuem Leben und vereint sie zu einem vieltönigen (Geräusch-)Orchester.
Die Installation kann von den Ausstellungsbesuchern bespielt werden, wird aber auch vom Künstler und weiteren Musiker*innen bei Performances gespielt.

Haus Kemnade, Ausstellungsraum des Kunstvereins

*1954, lebt und arbeitet in Kassel
www.ulligoette.info

Line
2021
Ortsspezifische Klanginstallation im Außenbereich der Ruine von Haus Weitmar
8 min., Stereo

Mit dem 2015 eröffneten Museum unter Tage, der Situation Kunst und der Galerie m sind zeitgenössische Kunst und Architektur am Weitmarer Schlosspark präsent. Zugleich verweisen die Ruinen von Haus Weitmar und der ehemaligen Schosskapelle auf die historische Dimension und Bedeutung des Ortes. In seiner Klangarbeit Line nimmt Götte in mehrfacher Hinsicht Bezug auf diese Vielschichtigkeit des Ortes. Unterschiedliche klangliche Elemente wie Klavierklänge, Vokalklänge und Sprache verbinden sich zu einer polyphonen Komposition. Die Disparatheit der musikalischen Elemente spiegelt die Unterschiedlichkeit der historischen, funktionalen und architektonischen Aspekte des Ortes wider.

Die 8-minütige Komposition erklingt samstags und sonntags jeweils um 15 Uhr im Bereich vor dem Eingang zum Museum unter Tage.

Einen besonderen Bezugspunkt für Göttes Komposition stellt die Rauminstallation Circuit von Richard Serra in einem der Pavillons von Situation Kunst dar. Die vier massiven Stahlteile der Installation Serras finden in Göttes Komposition eine Entsprechung in vier Klavierclustern, die zu einem immer wieder gewandelten klanglichen Leitmotiv werden. Die wiederholt hörbaren Schrittgeräusche hingegen suggerieren als Bewegungsmotiv das Umherschweifen der Besucher*innen in dem weitläufigen Areal.

Situation Kunst (Für Max Imdahl),
Außenbereich Kubus / Museum unter Tage

*1987, lebt und arbeitet in Berlin
www.lukasgrundmann.de

Jetzt
2014
Schallplattenspieler, Dubplates, Verstärker, Lautsprecher

Die Klangarbeit Jetzt von Lukas Grundmann setzt sich mit der flüchtigen Zeitlichkeit von Klangereignissen und der Konstituierung von Gegenwart auseinander.
Von zwei Schallplatten erklingt das Wort Jetzt, welches in unterschiedlich langen Abständen wiederholt wird. Mal sind beide Aufnahmen gleichzeitig zu hören, mal abwechselnd. Im Moment des Erklingens wird das Jetzt unverzüglich zur Vergangenheit und vom nächsten erklingenden Gegenwartsereignis abgelöst. Gegenwart besteht nur als Moment zwischen Entstehen und Vergehen. Zugleich schreibt sich die vergangene Zeit hörbar in das Medium ein. Mit jedem Abspielvorgang nehmen
die Abnutzungsgeräusche der Schallplatten zu. Das Rauschen der Vergangenheit erklingt simultan mit dem Jetzt der Gegenwart(en). Es stellen sich grundsätzliche Fragen nach der Bedeutung und Erfahrung von Gegenwart, nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer digital generierten globalen medialen Gleichzeitigkeit, in der sich sich die Kategorien des „Hier und Jetzt“ zusehends auflösen.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1966, lebt und arbeitet in Berlin
www.staubrauschen.de

Bags of Bees
2009

Lautsprecher, Verstärker, Audioplayer, Papiertüten

Drei braune Papiertüten, wie wir sie gewöhnlich für Einkäufe verwenden, sind auf einem Sockel postiert. Aus dem Inneren der Beutel dringen die chaotischen, beunruhigenden Geräusche von Bienenschwärmen, schießen und schweben, unsichtbar und schwer lokalisierbar, von Papiertüte zu Papiertüte. In Verbindung mit einer deutlichen Vibration der Beutel entsteht eindringlich die Illusion, in den Beuteln befänden sich tatsächlich eingesperrte Insekten.

Timo Kahlens Klanginstallation verweist auf die weitgehend unterschätzte Bedeutung des Hörens für unsere Weltwahrnehmung. Während die Bienenschwärme dem Auge verborgen bleiben, ist ihre Anwesenheit ausschließlich auditiv und haptisch, durch Geräusch und Vibration, wahrnehmbar. Es sind die Geräusche und deren Resonanzen im Material, die uns die entsprechenden Informationen liefern, mittels derer wir die Situation deuten und bestimmen.

Ausgangspunkt für die Arbeit war ein Gespräch des Künstlers mit der indischen Autorin und Menschenrechtlerin Arundhati Roy, in welchem diese vom furcht und zugleich fruchtlosen Aufstand eines indischen Dorfes gegen staatliches Unrecht berichtet. Dabei versuchten arme Bauern mit bloßen Händen und Heuharken, mit Messern und Gabeln sowie mit Plastiktüten, die als Wurfgeschosse mit angriffslustigen Bienen gefüllt waren, die übermächtigen Polizeikräfte zurückzudrängen.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1962, lebt und arbeitet in Köln
www.hans-w-koch.net

camera obscura acustica
2015
Audiovisuelle Installation

Mit seiner audiovisuellen Installation camera obscura acustica überträgt hans w. koch das optische Prinzip der Lochkamera, die die Außenwelt stets auf dem Kopf stehend abbildet, auf die Welt der Klänge. Im Außenbereich von Haus Kemnade steht ein Bauwagen, dessen Inneres mit dunklem Stoff ausgekleidet ist. An der Stirnwand ist ein rundes Bildfeld sichtbar, das über eine Außenkamera die Umgebung in Echtzeit und – wie bei einer camera obscura – auf dem Kopf stehend abbildet. Gleichzeitig hört man, von einem Mikrofon eingefangen, die Klänge der Außenwelt. Ebenso wie die Bilder sind dabei auch die akustischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt: Aus den tiefen Frequenzen werden hohe und aus hohen Frequenzen entsprechend tiefe. Der Bauwagen wird zu einer optischen und akustischen camera obscura. Die Besucher*innen tauchen ein in eine seltsame Bild- und Klangwelt, die als medial gebrochenes Spiegelbild der Welt um uns erfahren werden kann.

Haus Kemnade, Außenbereich

reverie
2022
Mehrkanal-Klanginstallation in Klavieren der Sammlung Grumbt auf Haus Kemnade

„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“
(Eichendorff, Wünschelrute)

die alten klaviere in der sammlung grumbt auf haus kemnade schlafen schon lange einen unberührbaren schlaf und träumen von der längst verklungenen musik, die einst durch sie hindurchgezogen ist. aufmerksame besucher können sie in ihren träumen belauschen und das lied erahnen, das über ihnen schwebt wie der in schönbergs pierrot lunaire besungene „alte duft aus märchenzeit“.
(hans w. koch)

Für den Raum mit den historischen Klavieren erstellt hans w. koch eine mehrkanalige elektro-akustische Komposition, die die Instrumente als Klangkörper einbezieht und zu neuem klanglichen Leben erweckt. Die Instrumente, Relikte aus eine früheren Zeit, treten heraus aus ihrem Status als museale Anschauungsobjekte, der Ausstellungsraum wandelt sich vom Schauraum zum Hörraum. Wie ein Nachhall entspinnt sich ein leiser Dialog von Instrument zu Instrument, der die Besucher*in in sich aufnimmt als Lauschende und Horchende, die den Bewegungen der Klänge im Raum nachspürt und dem äußeren Hören eine innere Resonanz verleiht.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1955, lebt und arbeitet in Hamburg und Viersen
www.katja-koelle.de

Einstimmen
2022
Klanginstallation für Haus Kemnade

Katja Kölles Klanginstallation empfängt die Besucher*innen beim Betreten des Hauses. Der titelgebende Begriff des Einstimmens verweist auf diese Stellung am Beginn des Ausstellungsrundgangs ebenso wie auf die musikalische Praxis des Einstimmens der Instrumente, die jeder musikalischen Darbietung vorausgeht. Die Rezipierenden werden auf das Kommende eingestimmt, die Aufmerksamkeit wird gebündelt und die Erwartung des nahen Beginns gesteigert. Katja Kölle spielt in ihrer Klangarbeit für Haus Kemnade mit dieser vertrauten Erfahrung, indem sie den Stimmvorgang von Musikinstrumenten zum Thema ihrer Klangarbeit macht. Gilt jedoch im traditionellen Konzertbetrieb das Einstimmen lediglich als Vorbereitung und (noch) nicht als Teil der darauf folgenden Musik, so wird für Kölle das Einstimmen selbst bereits zu einem musikalischen Ereignis. Aus zunächst kaum wahrnehmbarem, dann anschwellendem Weißen Rauschen kristallisieren sich von Zeit zu Zeit leise Klangfarben des klassischen Symphonieorchesters beim Einspielen vor einem Konzert heraus. Die Auseinandersetzung mit dem Weißen Rauschen in unterschiedlichen Kontexten ist ein zentrales Thema im Werk von Katja Kölle.

Mit der Verbindung von geräuschhaften Klängen und instrumentalen Tönen bringt Kölle zwei akustische Felder zusammen, die lange Zeit unvereinbar erschienen. Es sind die musikalischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts mit Protagonisten wie John Cage oder zuvor bereits Edgard Varèse, die jenen Klängen, akustischen Vorgängen und Geräuschen, die im klassischen System der musikalischen Künste keinen Platz hatten, eine neue Bedeutung beimessen und das ästhetische Konzept von Musik radikal erweitern. In Varèses Orchesterstück Tuning up von 1947 wird das Einstimmen der Instrumente zum kompositorischen Material.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

Klangallee
2021 / 2022
Klanginstallation für den Außenbereich

Den alleeartigen Fußweg zwischen der Gräfte entlang der nördlichen Außenmauer und dem öffentlichen Parkplatz bespielt Katja Kölle mit einer minimalistischen akustischen Intervention. In den Bäumen hängen unterschiedliche Klangspiele, deren metallische Klangstäbe vom Wind in Bewegung gesetzt werden und eine helltönende, silbrige Klangatmosphäre über den Weg legen. Die Klänge fügen der Klanglichkeit des Ortes, die von Naturlauten ebenso geprägt ist wie von den Verkehrsgeräuschen der nahegelegenen Fahrstraße, eine neue und überraschende Klangschicht hinzu. Kölles akustischer Eingriff irritiert die vertraute Wahrnehmung und sensibilisiert die Passant*innen für eine bewusstere Erfahrung des Ortes in seiner akustischen und visuellen Dimension sowie der eigenen Person.
Die Klanginstallation befindet sich außerhalb der Burganlage und kann jederzeit besucht werden.

Haus Kemnade, Außenbereich

Sanctuaries of Silence
2017
VR-Film, 7:15 min.

www.sanctuariesofsilence.com

Sanctuaries of Silence ist eine immersive Klangreise in den Olympic National Park, einen der stillsten Orte Nordamerikas. Der Klangforscher und Klang-Ökologe Gordon Hampton begreift Stille nicht als völlige Abwesenheit von Klängen und Geräuschen, sondern als das Fehlen jeglicher zivilisationsbedingter Lärmverschmutzung. Diese Stille ist vom Aussterben bedroht. Die Filmemacher Adam Loften und Emmanuel Vaughan-Lee begleiten den Klangforscher Gordon Hampton bei seinen Klangrecherchen an einen jener Orte, an dem diese Stille noch erfahrbar ist. In der Ausstellung ist der Film über VR-Headsets erlebbar.

Sanctuaries of Silence wurde auf zahlreichen Festivals gezeigt und erhielt mehrfach Auszeichnungen, unter anderem beim Sheffield Doc Fest, beim New York Film Festival oder ShortShorts Festival in Tokio. Beim Cleveland International Film Festival wurde Sanctuaries of Silence mit dem Perspectives Award for immersive Storytelling ausgezeichnet.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

*1969, lebt und arbeitet in Wien
www.claudiamaerzendorfer.com

smashed to pieces
2018
Video, Farbe Ton, 28:35 min.

Claudia Märzendorfers Videoarbeit smashed to pieces steht im Kontext einer vielfältigen Tradition von Musikinstrumentenzerstörungen in der avantgardistischen Kunst. Unzählige Instrumentenzerstörungen sind von Musikern, Schriftstellern, Performancekünstlern, Zeichnern in den letzten 150 Jahren unternommen und beschrieben worden. Besondere Bedeutung erlangen inszenierte Instrumentenzerstörungen in der Fluxus-Bewegung. Vor allem das Klavier als Symbol einer überkommenen bürgerlichen Kultur rückt dabei in den Fokus der Akteure. Immer geht es um ein radikales Statement und um eine Positionierung zur Welt, ist das Instrument das Organ der Demonstration.

smashed to pieces zeigt die filmische Aufnahme der Zerlegung eines Flügels, die von mehreren Akteuren in Kooperation vorgenommen wird. Zu sehen ist eine konzertierte Aktion, ein konzentrierter Live-Act, bei der sich die Form des Instruments allmählich verändert – von einem kompakten funktionierenden Gefüge zu einer losen Ansammlung unterschiedlicher Formen, die nun, vermeintlich funktionsfrei, anderen Nutzungen zugeführt werden könnten. Der Flügel wird in Originalgröße auf den Boden des Ausstellungsraums projiziert und macht durch die besondere Betrachterperspektive das Ausstellungspublikum gewissermaßen zu Teilnehmern der gefilmten Aktion.

Haus Kemnade, Kulturhistorisches Museum

Das Trio Reinald Noisten (Klarinette), Katharina Bohlen (Sografon) und Claudius Reimann (Klarinette) entfaltet in seinen Improvisationen ein subtiles Wechselspiel von Klangstrukturen im Raum. Bei dem Konzert im Kunstverein Bochum interagieren die Musiker*innen mit Abrecht Ferschs „pluralistischem Solotonorchester“ und beziehen dessen vielfältige Klangoptionen in ihr Spiel mit ein.

Haus Kemnade / Kunstverein Bochum
Sonntag, 28.8.2022, 15 Uhr

*1981, lebt und arbeitet in Berlin
www.michaelpohl.de

Sehen Sie Hier!
2017
Einundzwanzig ortsspezifische Audiostücke für den Bochumer Stadtpark

In seiner audiovisuellen Installation Sehen Sie Hier! führt Michael Pohl die Besucher*in mit einer eigens entwickelten Smartphone- App an verschiedene Orte im Bochumer Stadtpark. Erreicht man einen der markierten Punkte, so wird eine kurze Geschichte als Audiodatei abrufbar. Als Grundlage für die Audiostücke dienen literarische Vorlagen, die mit ortsspezifischen Elementen vermischt werden. Im Sinne einer Augmented Reality wird das Fiktive dabei mit der realen Erfahrung vor Ort gemischt. Entgegen dem anderslautenden Titel bleibt Pohls Arbeit konsequent auf die auditive Wahrnehmung gerichtet und zielt damit auf innere imaginäre Bilder. Der Betrachter ist auf seine Vorstellungskraft angewiesen, um die Dinge tatsächlich zu „sehen“.

Die Audiobeiträge stammen teils von Michael Pohl, teils von weiteren Künstlern, die auf Einladung Pohls in das Projekt einbezogen wurden. Zu hören sind Beiträge von: Johannes Albers, Fritz Bornstück, Cynthia Browne, Martijn in t Veld, Inga Krüger, Gisa Pantel und René Haustein. Die Arbeit entstand bereits im Jahr 2019 im Rahmen des Ausstellungsprojektes Hybrid Realities und ist für Kemnade klingt! 2022 : SOUNDING BOCHUM in aktualisierter Form verfügbar. Die Smartphone App kann im App Store oder im Google Play Store unter „Sehen Sie Hier!“ oder über den QR-Code kostenlos heruntergeladen werden.

Stadtpark

*1976, lebt und arbeitet in Wien
www.kathrinstumreich.com

Textile Soundscape
2012
Stoffbahnen, Lichtsensor, Elektronik, Lautsprecher

Verfahren der klanglichen Untersuchung von textilen Strukturen finden sich mehrfach in den Arbeiten von Kathrin Stumreich. Dabei läuft ein Stoffband in Endlosschleife an einem Lichtsensor vorbei, der die Transparenz des Stoff misst und über eine Lichttonschaltung in Klang übersetzt. Die Apparatur transformiert eine der ersten digitalen Anwendungen, nämlich die Herstellung verschiedener Webmuster mittels Lochkarten, in ein anderes, sinnlich wahrnehmbares Medium.
Für Textile Soundscape sammelte die Künstlerin während einer mobilen Residency entlang der Transsibirischen Eisenbahn Stoffproben zwischen Kiew und Shanghai. Dabei handelt es sich teils um Gewebestrukturen mit traditionellen Mustern und Referenzen auf das kulturelle Umfeld, teils um Samples von Textilien, die den Reisenden in einem bestimmten Zeitabschnitt gedient hatten oder mit der Infrastruktur am jeweiligen Ort verbunden waren (Gebetsfahnen, Tischdecken etc.). In vier Klangobjekten werden die durch die jeweiligen regionalen Traditionen geprägten Stoffmuster abgetastet und deren stoffliche und optische Beschaffenheit akustisch interpretiert. Module und Regler im Klangobjekt beeinflussen Geschwindigkeit und Lichtintensität und interpretieren die klanggewordenen Eigenschaften des Stoffes.

Kunstmuseum Bochum
im Rahmen der Ausstellung The Sound Is Where?

*1979, lebt und arbeitet in Ghent
www.aurallandscape.net

The Mamori Expedition
Klanginstallation
2013

Klang als akustische Dimension von Landschaft spielt im Werk von Els Viaene eine zentrale Rolle. In The Mamori Expedition unternimmt die Künstlerin eine akustische Erkundung des Amazonas- Regenwalds. Während einer Expedition im Jahre 2009 hat Viaene den Flussverlauf des Amazonas mittels Aufnahmegerät und GPS klanglich dokumentiert. Eine hölzerne, mit Wasser gefüllte Installation repräsentiert im Ausstellungsraum den Verlauf des Amazonas und seiner Seitenarme in maßstabgetreuer Nachbildung. Mit einem „Hydrophone“, einem Headset mit Klangsensor, kann die Besucher*in in das Wasser hineinhorchen. Indem der Sensor den Drehungen und Wendungen der Skulptur folgt, werden die Geräusche, die Viaene während ihrer Expedition aufgenommen hat, hörbar.

The Mamori Expedition versetzt die Besucher*innen in die Klangwelt des Amazonaswaldes und lädt sie ein, den Fluss und seine Geräusche auf eigene Weise zu erkunden und mit einer konkreten sinnlich-körperlichen Erfahrung zu verbinden.

Kunstmuseum Bochum
im Rahmen der Ausstellung The Sound Is Where?

*1983, lebt und arbeitet in
Brüssel und Köln
www.franziskawindisch.com

variables II
Partizipative Klanginstallation / Performance

variables II lässt die Rezipient*innen zu Akteur*innen im physischen und akustischen Raum werden. Über vier Lautsprecher wird das Hintergrundrauschen der Stadt in den Raum gespielt. Die Teilnehmer*innen bewegen sich im Raum und erhalten über tragbare Module auf den Ort abgestimmte Handlungs- und Höranweisungen. Mit den Modulen können die Teilnehmer*innen wiederum ihre Höreindrücke beeinflussen und verändern. Wahrnehmungen an den Übergängen von vermeintlich Innerem und Äußerem werfen Fragen zu Prozessen von Verortung und Orientierung auf.

variables II findet als partizipative Installation am Samstag, 27.8.2022 in der Zeit von 14 bis 18 Uhr statt. Die Performance startet jeweils zur vollen und halben Stunde. Pro Durchlauf können max. 6 Personen teilnehmen.

Samstag, 27.8.2022, 14 – 18 Uhr, Kunstmuseum Bochum

Kemnade klingt! 2022
Sounding Bochum
Festival für klangbasierte Kunstformen
Mai bis Oktober 2022
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